Gültigkeit der Leitlinie ist abgelaufen.
Leitlinie wird zurzeit überarbeitet.
Geplantes Update
Stand: 30. September 2012
Entwicklungsstufe: S1
Gültig bis: 29. September 2017
Verlängert am: 21. August 2015
Zuletzt bearbeitet am: 30. September 2012
AWMF-Registernummer: 030-056
Federführend:
Prof. Dr. Christian Gerloff, Hamburg
gerloff@uke.de
Was gibt es Neues?
- Natrium-OxybatBtMG (Gamma-Hydroxybuttersäure, GHB) ist europaweit für die Therapie der Narkolepsie mit Kataplexie bei erwachsenen Patienten zugelassen. Es bessert alle Kernsymptome der Narkolepsie und wirkt sich positiv auf die nächtliche Schlafarchitektur aus (Black et al. 2006, Black et al. 2010, Poryazova et al. 2011).
- Intravenöse Immunglobuline (IVIG) hatten in Einzelfällen einen anhaltend günstigen Effekt auf Kataplexien und/oder Schläfrigkeit, wenn sie in der Frühphase der Erkrankung gegeben wurden. (Lecendreux et al. 2003, Dauvilliers et al. 2004, Dauvilliers 2006, Zuberi et al. 2004, Knudsen et al. 2010). Die Effekte waren uneinheitlich und müssen in einer prospektiven Studie evaluiert werden.
- Armodafinil (Nuvigil), das länger wirksame R-Isomer von Modafinil, verbessert die Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie (Schwartz et al. 2010). Das Medikament ist in den USA zugelassen, nicht jedoch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
- Modafinil (200–400 mg/d, in Einzelfällen bei residueller exzessiver Schläfrigkeit bis 600 mg/d) ist wirksam in der Therapie der Tagesschläfrigkeit.
- Als Alternative zu Modafinil kommt MethylphenidatBtMG infrage. Die Umstellung von MethylphenidatBtMG auf Modafinil ist bei 95 % der Patienten problemlos möglich.
- Kataplexien, Schlaflähmungen, hypnagoge Halluzinationen können mit Antidepressiva behandelt werden. Empfohlen werden Clomipramin 10–150 mg/d, Venlafaxin 37,5–300 mg/d, Fluoxetin 20–60 mg/d, Reboxetin 4–12 mg/d, Citalopram 20–40 mg/d. Die Stärke der Kataplexie-Suppression ist abhängig von der noradrenergen Wiederaufnahmehemmung. Clomipramin ist erfahrungsgemäß besonders potent in der Suppression der Kataplexien, seine Anwendung ist jedoch durch das häufigere Auftreten von Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, vermehrtes Schwitzen, Obstipation, Seh-/Akkommodationsstörungen, Benommenheit, Unruhe, Appetitsteigerung, Störungen der Libido/Potenz oder orthostatische Dysregulation limitiert.
- Natrium-OxybatBtMG ist wirksam in der Therapie von Kataplexie, fragmentiertem Nachtschlaf, Halluzinationen, Schlafparalyse und (wenn auch weniger ausgeprägt) exzessiver Tagesschläfrigkeit. Natrium-OxybatBtMG hat den Vorteil, keinen Rebound von Kataplexien zu verursachen. Bei Patienten, bei denen eine schwere Kataplexie zusätzlich zur Tagesschläfrigkeit vorliegt oder bei denen Kataplexie, fragmentierter Nachtschlaf und exzessive Tagesschläfrigkeit äquivalent vorhanden sind, kann Natrium-OxybatBtMG als Medikament der ersten Wahl (z. B. vor Modafinil) auch für das Zielsymptom Tagesschläfrigkeit eingesetzt werden. Die Anwendung bei Kindern (off-label) mit schwerer Narkolepsie und Kataplexie zeigte in einer Studie eine vergleichbar gute Wirksamkeit wie bei Erwachsenen (Murali u. Kotagal 2006).
- Verhaltensmodifizierende Maßnahmen wie individuell angepasste Tagschlafepisoden können bei einigen Patienten mit oder ohne Medikamente hilfreich sein, werden aber nicht generell empfohlen, sondern nur bei residueller Tagesschläfrigkeit.
Einführung
Die Narkolepsie gehört zu den Hypersomnien zentraler Ursache. Die ICSD-2 (International Classification of Sleep Disorders, 2. Auflage) unterscheidet Narkolepsie mit Kataplexie („klassische Narkolepsie"), Narkolepsie ohne Kataplexie (syn. monosymptomatische Narkolepsie) und sekundäre Narkolepsie (symptomatisch z. B. bei strukturellen Läsionen des Hypothalamus oder oberen Hirnstamms infolge Ischämie, Tumor, Neurosarkoidose). Alle Medikamente, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegen, sind mit einem „BtMG" (hochgestellt) gekennzeichnet.
Definition und Klassifikation
Die Narkolepsie ist eine Schlaf-Wach-Störung mit REM-(Rapid Eye Movement-) und Non-REM-Schlafstadien assoziierten Symptomen wie eine länger als 6 Monate bestehende Tagesschläfrigkeit, Kataplexie, Schlaflähmungen, hypnagogen/hypnopompen Halluzinationen, fraktionierter Nachtschlaf und automatisches Verhalten. Polysomnografisch treten verkürzte Einschlaflatenzen und vorzeitiger REM-Schlaf (Sleep-Onset-REM = SOREM) auf. Weitere biologische Marker der Krankheit sind eine hohe HLA-Assoziation und ein Hypocretinmangel.
Epidemiologie
- Prävalenz: 26–50/100000 (Hublin et al. 1994b, Ohayon et al. 1996, Longstreth et al. 2007)
- Inzidenz: 0,74/100000/Jahr (Silber et al. 2002)
- hohe Dunkelziffer (Mignot et al. 2006)
- Erstmanifestation vorwiegend in der 2. Dekade (2. kleinerer Gipfel in der 4. Dekade; ca. 20 % der Erstmanifestationen in den ersten 10 Lebensjahren) (Guilleminault u. Pelayo 1998, Mayer et al. 2002, Dauvilliers et al. 2007)
Pathophysiologie
- Die Ursache ist ungeklärt; infektiöse Auslöser und autoimmune Prozesse werden diskutiert (u. a. Influenza-Virus und Streptokokkeninfektion; Fontana et al. 2010, Han et al. 2011); in wenigen Fällen symptomatisch (z. B. Hirnstamm- oder dienzephale Läsionen) (Übersicht bei Nishino u. Kanbayashi 2005).
- Multifaktoriell mit starker Verminderung oder Fehlen Hypocretin-(Hcrt-)haltiger Neurone im dorsolateralen Hypothalamus (Lin et al. 1999) sowie Störungen im cholinergen, noradrenergen, histaminergen und weiteren Transmittersystemen (Bassetti et al. 2010). Die Reduktion von Hcrt im Liquor unter die Nachweisgrenze ist ein hochsensitiver und -spezifischer Befund für die idiopathische, nicht familiäre Narkolepsie mit Kataplexie (Nishino et al. 2000, Ripley et al. 2001, Bassetti et al. 2003), hingegen weniger sensitiv bei Narkolepsie ohne Kataplexie. In 5–10 % der Fälle, vor allem bei hereditären/familiären Formen der Krankheit, können auch bei „klassischer Narkolepsie" die Hypocretinwerte im Normbereich liegen (Khatami et al. 2004). Exzessive Schläfrigkeit und Einschlafattacken beim idiopathischen Parkinson-Syndrom sind wahrscheinlich nur bei fortgeschrittenen Fällen Folge einer Verminderung Hcrt-haltiger Neurone (Thannickal et al. 2007).
- Eine Dysfunktion der Amygdala mit veränderter Emotionsverarbeitung wird angenommen und für psychiatrische Manifestationen der Krankheit mitverantwortlich gemacht (Khatami et al. 2007, Ponz et al. 2010).
- Krankheit mit der höchsten HLA-Assoziation: 98 % der kaukasischen Narkolepsie-Patienten haben den HLA DRB1*1501, DQB1*0602-Typ; hohe Sensitivität dieses HLA-Typs von 95 %; aber geringe Spezifität, da nachweisbar bei 25–35 % der Normalbevölkerung (Poirier et al. 1986, Guilleminault et al. 1988, Mignot et al. 1994, Mignot et al. 1999). Angehörige ersten Grades von HLA DQB1*0602-positiven Narkolepsie-Patienten haben ein 38- bis 40-fach erhöhtes Risiko, an Narkolepsie zu erkranken (Mayer 2006). Eine Gen-Umwelt-Interaktion ist hochwahrscheinlich (vgl. Dauvilliers et al. 2007, Longstreth et al. 2007, Fontana et al. 2010, Han et al. 2011). Genomweite Assoziationsstudien fanden eine Assoziation mit einem Polymorphismus des T-Zell-Rezeptor-Alpha-Locus (Hallmayer et al. 2009) und SNP in der Region P2RY11, dem Rezeptor-Subtyp-P2Y11-Gen (Kornum et al. 2011). Das krankheitsassoziierte Allel korreliert mit einer Reduktion von P2YR11 in CD8+ T-Lymphozyten und Natural-Killer-(NK-)-Zellen. Erhöhte Autoantikörper gegen Trib2 in den ersten beiden Jahren nach Krankheitsbeginn (Cvetkovic-Lopes et al. 2010, Kawashima et al. 2010) liefern zusätzliche Hinweise dafür, dass die Narkolepsie autoimmunvermittelt auftritt. Die genomweiten Analysen zeigen auch protektive HLA-Gene gegen Narkolepsie (Mignot et al. 2001, Hor et al. 2010).
Klinische Symptome
- Tagesschläfrigkeit mit Tagschlafepisoden, praktisch obligat (meist Erstmanifestationssymptom)
- Kataplexie (gilt nahezu als beweisend) in 80–90 % der Fälle (meist 2. Symptom). Typische Auslöser der Kataplexie sind Lachen, Freude und Überraschung, Ärger, Furcht oder andere starke Gemütsregungen. Während der Kataplexie besteht eine Areflexie.
- Schlaflähmung bei ca. 50 % der Betroffenen
- hypnagoge Halluzinationen bei ca. 50 %
- gestörter Nachtschlaf bei ca. 50%
- automatisches Verhalten
Begleiterscheinungen sind Kopfschmerzen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, einschlafbedingte Unfälle, Depression, Potenzstörungen, Persönlichkeitsveränderungen (systematische Analyse des klinischen Spektrums siehe Sturzenegger u. Bassetti 2004).
Die Lebensqualität von Patienten mit Narkolepsie ist messbar eingeschränkt (SF-36, EQ-5 D). 43 % einer Stichprobe von 75 Patienten mit Narkolepsie waren arbeitslos und führten die Arbeitslosigkeit auf die Erkrankung zurück (Dodel et al. 2007).
Die Narkolepsie ist eine lebenslang andauernde Erkrankung mit variabler Intensität der Symptome im Verlauf; langfristig besteht eine Tendenz zur Besserung. Eine Assoziation mit degenerativen Erkrankungen wird derzeit diskutiert (Economou et al. 2012). Die Mortalität ist nicht erhöht.
Diagnostik
Untersuchungen
▶ Notwendige Untersuchungen bei Erstdiagnostik:
- gezielte Anamnese der Kernsymptome Tagesschläfrigkeit und Kataplexie; Familienanamnese
- Dokumentation durch Schlaffragebögen und Schlaftagebücher: Epworth Sleepiness Score (ESS), Abend- und Morgenprotokolle, Stanford Narcolepsy Questionnaire (Anic-Labat et al. 1999), Ullanlinna Narcolepsy Score (UNS) (Hublin et al. 1994a), Swiss Narcolepsy Score (SNS; Sturzenegger u. Bassetti 2004)
- Polysomnografie/MSLT (Multiple Sleep Latency Test); der MSLT zeigt bei ca. 20 % der Patienten keine zweimaligen SOREM = „falsch negativ"; zudem werden SOREM auch nicht selten bei Gesunden gesehen, z. B. bei Schichtarbeitern oder Schlafmangel
Im Einzelfall erforderliche Untersuchungen
4. Bestimmung des Hypocretin-(Orexin-)Spiegels im Liquor (bei Narkolepsie ohne Kataplexie, familiärer Narkolepsie und sekundärer Narkolepsie allerdings oft normal)
5. HLA-Klasse-II-Typisierung
6. zerebrale Bildgebung (nur bei Verdacht auf sekundäre Narkolepsie)
Die unter 4. und 5. genannten diagnostischen Maßnahmen werden empfohlen, wenn differenzialdiagnostische Unsicherheiten bestehen bei
- Patienten mit SOREM, aber ohne eindeutige Kataplexie oder mit seltener oder atypischer Kataplexie
- Komorbidität mit anderen Schlafstörungen wie schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS)
- (Klein-)kindern (keine validierten MSLT-Kriterien, Kataplexie schwer zu evaluieren)
- atypischen elektrophysiologischen Befunden
- prominenten psychiatrischen Symptomen
- zwingender Dauermedikation mit Substanzen, bei denen eine Beeinträchtigung der Validität des MSLT nicht auszuschließen ist (z. B. Antikonvulsiva)
Typische Befunde in Polysomnografie und Multiple Sleep Latency Test (MSLT)
▶ Nächtlicher Schlaf:
- kurze Einschlaf- und REM-Latenz (< 10 Minuten)
- gestörte Schlafkontinuität / Schlaffragmentierung
- „periodic limb movements" in Non-REM- und REM-Schlafstadien
Auch REM-Schlaf ohne Atonie wird nicht selten beobachtet.
Untersuchung am Tag (MSLT):
- verkürzte Einschlaflatenz (< 8 Minuten) mit Auftreten von verfrühtem REM (≥ 2 SOREM bei 5 MSLT-Durchgängen)
Differenzialdiagnosen (nach Häufigkeit gelistet)
▶ Bei Kataplexie:
- Kataplexie-ähnliche Zustände bei Gesunden
- orthostatische Dysregulation
- Synkopen (z. B. kardiogen, vestibulär)
- Myoklonien (insbesondere negativer Myoklonus; Anmerkung: in der Kataplexie kann es zu kurzer willkürlicher Muskeltonuserhöhung kommen)
- dissoziative Anfälle
- Epilepsie mit atonischen/astatischen Anfällen ohne Bewusstseinsverlust
- gelastische Anfälle
- transitorische ischämische Attacke (vor allem vertebrobasilär)
- neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. periodische Lähmungen)
- Kataplexie-ähnliche Episoden bei neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Norrie-Syndrom, Morbus Niemann-Pick Typ C, Coffin-Lowry-Syndrom)
▶ Bei Tagesschläfrigkeit:
- chronische Schlafdeprivation
- Störungen des zirkadianen Rhythmus, angeboren oder erworben (z. B. Schichtarbeit, „jet lag")
- andere Schlafstörungen (z. B. Schlaf-Apnoe-Syndrom [SAS], Restless-Legs-Syndrom [RLS], Insomnie; Anmerkung: auch ein komorbides SAS bei Narkolepsie ist nicht selten, zumal eine Subgruppe der Narkolepsie-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem höheren Body-Mass-Index tendiert; vgl. Schuld et al. 2002)
- Medikamente oder Drogen (z. B. Tranquilizer, Antidepressiva, Neuroleptika, Dopaminergika, Betablocker, Antihistaminika, Antiepileptika)
- idiopathische Hypersomnie (Bassetti u. Aldrich 1997)
- periodische/rekurrente Hypersomnie (Kleine-Levin-Syndrom)
- neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson-Syndrome, Chorea Huntington, myotone Dystrophie, Zustand nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma
- Epilepsie mit häufigen nächtlichen Anfällen
- postvirale Zustände/chronische Infekte (z. B. Mononukleose, Borreliose)
- Depression
▶ Bei hypnagogen/hypnopompen Halluzinationen:
- physiologisch (bei Gesunden, vor allem bei Kindern)
- medikamentös-toxisch bedingte Delirformen (z. B. Alkohol, Dopamin, LSD)
- bei neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Demenz mit diffusen Lewy-Körperchen)
- als iktuale Phänomene bei Epilepsie
- im Rahmen von REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (RBD) (z. B. bei neurodegenerativen Erkrankungen)
- bei Migräne
- bei schwerem akutem Visusabfall (Charles-Bonnet-Syndrom)
- bei fokalen Hirnläsionen (z. B. pedunkuläre Halluzinose)
Bei Schlaflähmungen:
- Pseudo-Schlafparalyse bei Depression (exzessive morgendliche „Startschwierigkeiten")
- sporadische oder familiäre Schlafparalyse (auch bei Gesunden)
- familiäre Schlaflähmung ohne weitere Symptome
- dyskaliämische Lähmungen
Therapie
Nichtmedikamentöse Therapie
Verhaltensmodifizierende Maßnahmen:
- Verbesserung von Coping-Strategien
- Schlafhygiene
- individuell angepasste Tagschlafepisoden
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie wird im Folgenden beschrieben und ist zusätzlich in ▶ Tab. 5.1 zusammengefasst.
Tagesschläfrigkeit
Tagesschläfrigkeit wird mit Stimulanzien behandelt (Billiard et al. 2006, Morgenthaler et al. 2007).
Gute und große Studien (einschließlich Evaluation der Lebensqualität) gibt es für Modafinil und Natrium-Oxybat (Beusterien et al. 1999, Black et al. 2006). Große, vergleichende Studien zwischen den unterschiedlichen Substanzen existieren nicht.
▶ Therapie der ersten Wahl:
- Modafinil: 200–400 mg/d (UMiNMS Group 2000, Billiard et al. 2006), bei 70–80% der Patienten wirksam. Die Erhöhung auf 400 mg morgens plus 200 mg mittags kann gegen residuelle exzessive Schläfrigkeit im späteren Tagesverlauf wirksam sein. Modafinil unterliegt nicht mehr dem BtMG (21. BtMÄndV vom 01. 03. 2008).
- Natrium-OxybatBtMG (Gamma-Hydroxybuttersäure) ist unter dem Handelsnamen Xyrem zur Behandlung aller Kernsymptome der Narkolepsie zugelassen (Dosis 4,5–9 g pro Nacht, aufgeteilt in 2 Dosen, z. B. 2,25–4,5 g zur Bettzeit und erneut 2,25–4,5 g nach 2–4 Stunden) (U. S. Xyrem Multicenter Study Group 2003). Bei Patienten, bei denen eine schwere Kataplexie zusätzlich zur Tagesschläfrigkeit vorliegt oder bei denen Kataplexie, fragmentierter Nachtschlaf und exzessive Tagesschläfrigkeit äquivalent vorhanden sind, kann Natrium-OxybatBtMG als Medikament der ersten Wahl (z. B. vor Modafinil) auch für das Zielsymptom Tagesschläfrigkeit eingesetzt werden.
- Die Kombination von Natrium-OxybatBtMG und Modafinil zeigt additive therapeutische Effekte bezüglich Tagesschläfrigkeit (im Vergleich zur Monotherapie mit Modafinil oder Natrium-OxybatBtMG), ist aber erwartungsgemäß mit einer etwas höheren Inzidenz von Nebenwirkungen behaftet im Vergleich zur Monotherapie (Tremor, Parästhesien) (Black et al. 2006).
- MethylphenidatBtMG: 10–60 mg/d. Kombinationen von Modafinil und MethylphenidatBtMG in angepassten Einzeldosierung sind grundsätzlich möglich.
▶ Therapie der zweiten Wahl (sämtlich Off-Label-Behandlungen, vgl. ▶ Tab. 5.1):
- Ephedrin: 25–75 mg/d bis maximal 250 mg/d
- DextroamphetaminBtMG(Methamphetamin): 40–60 mg/d (Mitler 1994)
- MAO-Hemmer: nur bei therapierefraktärem Verlauf, z. B. Selegilin ab 30 mg/d
Meist ist eine Dauertherapie erforderlich, häufig mit Medikamenten, die dem BtMG unterliegen (Natrium-OxybatBtMG, MethylphenidatBtMG). Regelmäßige ambulante Kontrollen sind notwendig (cave: Toleranzentwicklung, selten Abhängigkeit, kardiovaskuläre Nebenwirkungen, Hepatotoxizität; bei fehlendem Ansprechen ggf. Plasmaspiegel bestimmen).
Kataplexien, Schlaflähmungen, hypnagoge Halluzinationen
Kataplexien, Schlaflähmungen, hypnagoge Halluzinationen werden mit Natrium-OxybatBtMG oder Antidepressiva behandelt.
- Natrium-OxybatBtMG (Gamma-Hydroxybuttersäure) ist unter dem Handelsnamen Xyrem zur Behandlung aller Kernsymptome der Narkolepsie zugelassen und gegen Kataplexien besonders gut wirksam (U. S. Xyrem Multicenter Study Group 2003).
- Clomipramin: 10–150 mg/d
- selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), noradrenerg wirksame Präparate und deren Kombination, z. B. Fluoxetin 20–60 mg/d, Reboxetin 4–12 mg/d , Venlafaxin 37,5–300 mg/d
- tri-/tetrazyklische Antidepressiva oder MAO-Hemmer
Spezielle Aspekte für Österreich und die Schweiz
Die Empfehlungen für Österreich decken sich mit denen für Deutschland. Natrium-OxybatBtMG ist zur Behandlung der Narkolepsie und Kataplexie bei erwachsenen Patienten zugelassen und befindet sich derzeit im roten Bereich („red box") des Erstattungskodex. Modafinil ist zugelassen für die Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie, MethylphenidatBtMG und die oben genannten Antidepressiva zur Behandlung von Kataplexien können in Österreich eingesetzt werden.
Die Empfehlungen für die Schweiz decken sich mit denen für Deutschland.
Versorgungskoordination
Ambulant durchzuführen sind die diagnostischen Maßnahmen 1, 2, 5 und 6. Für die Untersuchungen 3 und 4 ist eine stationäre Aufnahme erforderlich. Sämtliche genannten Therapien sind ambulant durchzuführen.
Redaktionskomitee
Prof. Dr. Claudio Bassetti, Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinik (Inselspital) Bern
Prof. Dr. Christian Gerloff, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
(Ao. Univ.-)Prof. Dr. Birgit Högl, Universitäts-Klinik für Neurologie, Innsbruck
Prof. Dr. Geert Mayer, Neurologische Klinik Hephata, Treysa, Schwalmstadt
Federführend: Prof. Dr. Christian Gerloff, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, E-Mail: gerloff@uke.de
Entwicklungsstufe der Leitlinie: S1
Finanzierung der Leitlinie
Es erfolgte keine Finanzierung der Leitlinien
Methodik der Leitlinienentwicklung
Die Konsensusfindung erfolgte mittels eines modifizierten Delphi-Verfahrens. Dokumentenumlauf per e-mail initiiert am 6.10.2011, erneute Umläufe am 9.2.2012, 25.3.2012 und 3.4.2012, erste Telefonkonferenz am 30.3.2012, abschließende konsensusbildende Telefonkonferenz am 5.4.2012.
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